H2 2024 EUR/USD-Ausblick: Wird die Fed ebenso viele Zinssenkungen vornehmen wie die EZB?
Wichtige Aspekte für EUR/USD
- Nachdem EUR/USD in den letzten 18 Monaten auf eine relativ enge Spanne von 700 Pips beschränkt war, hoffen Händler auf mehr Volatilität in H2 2024.
- Ein stärkeres US-Wachstum und eine ähnliche Inflation auf beiden Seiten des Atlantiks könnten zu aggressiveren Zinssenkungen der EZB führen, was EUR/USD belasten würde.
- Technisch gesehen wird der Bereich von 1,0500 bis 1,1250 aus dem Jahr 2023 die entscheidende zu beobachtende Spanne darstellen.
EUR/USD-Rückblick Q2 2024
In unserem Bericht über den EUR/USD-Ausblick Q2 2024 gingen wir der Frage nach, ob die Europäische Zentralbank (EZB) vor der US-Notenbank mit Zinssenkungen beginnen würde. Inzwischen wissen wir, dass die Antwort eindeutig „ja“ lautet. Anfang Juni senkte die EZB die Zinssätze von 4,50 auf 4,25 % und damit erstmalig in ihrer (verhältnismäßig kurzen) Geschichte noch vor der US-Notenbank.
Doch möglicherweise, weil EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Co. sich große Mühe gaben zu betonen, dass sie wohl nicht sofort mit einer weiteren Zinssenkung nachziehen würden, bewegte sich EUR/USD während des gesamten Quartals zwischen 1,06 und 1,10.
Dieser Trade mit geringer Volatilität bot den meisten Händlern weniger Chancen als üblich. Positiv ist jedoch, dass die Volatilität zyklisch ist, sodass auf Perioden mit geringer Volatilität und geringen Marktbewegungen meist Perioden mit höherer Volatilität und stärkeren Marktbewegungen folgen.
Wird das in H2 der Fall sein? Lesen Sie weiter und erfahren Sie mehr über die wichtigsten Themen, die es zu beachten gilt!
EUR/USD-Ausblick H2 2024: Plädoyer für eine (anhaltende) aggressivere Lockerung durch die EZB
Nach einem fulminanten Start in das Jahr 2024 zeichnete sich im zweiten Quartal eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, der Inflation und der Beschäftigung ab, was die Voraussetzungen für potenzielle Zinssenkungen durch die EZB und die Fed in der zweiten Jahreshälfte schafft.
Bei Redaktionsschluss Ende Juni schließen die Händler auf beiden Seiten des Atlantiks eine vergleichbare Lockerung der Geldpolitik aus. Rund zwei Zinssenkungen von 25 Basispunkten bis Ende Dezember werden überhaupt nicht in Betracht gezogen. Folglich wird die Performance von EUR/USD in der zweiten Jahreshälfte wahrscheinlich davon abhängen, wie sich die Wirtschaftsdaten entwickeln und welche Grundhaltung die jeweiligen Zentralbanken einnehmen werden. Die grundlegende Konjunkturanalyse deutet jedoch darauf hin, dass die EZB wahrscheinlich mehr Zinssenkungen vornehmen wird als die Fed. Daher hat sich die Chance erhöht, dass EUR/USD im weiteren Verlauf von H2 2024 fallen könnte.
Vereinfacht ausgedrückt wird das Wirtschaftswachstum in den USA wahrscheinlich höher und widerstandsfähiger sein als in der Eurozone, und die Inflation – das Schreckgespenst, das beide Zentralbanken zu bekämpfen versuchen – dürfte sich im nächsten Jahr auf beiden Seiten des Atlantiks ähnlich entwickeln.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geht davon aus, dass die US-Wirtschaft im Jahr 2024 um 2,6 % und im Jahr 2025 um 1,8 % wachsen wird. Demgegenüber wird für die Eurozone ein schwächeres Wachstum von nur 0,7 % bzw. 1,5 % in den Jahren 2024 und 2025 prognostiziert. Diese schwachen Wachstumszahlen machen die Eurozone anfälliger für ein Abrutschen in eine Rezession, falls es zu negativen Konjunkturschocks kommt:
Quelle: OECD
Ein möglicherweise aktuelleres, aber auch weniger zukunftsgerichtetes Maß für die Wirtschaftsaktivität ist der US Composite PMI, der – wie bereits in 11 der vergangenen 12 Monate – gegenwärtig bei 54,5 und damit deutlich über dem entsprechenden Wert für die Eurozone (52,2) liegt. Diese anhaltenden Divergenzen unterstreichen die relative Widerstandsfähigkeit und Robustheit der US-Wirtschaft im gegenwärtigen Marktumfeld und sprechen für eine schrittweise Zinssenkung durch die Fed im Vergleich zur EZB.
Quelle:TradingView, StoneX
Mit Blick auf die Inflation wird erwartet, dass der Preisdruck sowohl in den USA als auch in der Eurozone in den nächsten Jahren sukzessive in Richtung der 2%-Ziele der Zentralbanken zurückgehen wird. Wie aus dem nachstehenden Chart hervorgeht, könnte die Inflation in der Eurozone in den nächsten Jahren etwas geringer ausfallen als in den USA, was die Zuversicht der EZB in Bezug auf Zinssenkungen insbesondere vor dem Hintergrund eines schleppenden Wirtschaftswachstums leicht erhöht:
Quelle: OECD
Für einen längerfristigen Ausblick ist es hilfreich, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Aus einer einfachen Perspektive betrachtet, wächst die europäische Wirtschaft langsamer als die US-amerikanische und der Preisdruck ist etwas schwächer. Auch wenn die EZB und die Fed die Zinsen in der zweiten Jahreshälfte senken dürften, besteht Spielraum für aggressivere Zinssenkungen seitens der EZB. Diese Entwicklung könnte EUR/USD zum Jahresende hin belasten – und das noch vor den für die Eurozone relevanten Risiken durch die anhaltenden Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine, die im Falle einer Eskalation zu einem weiteren Abwärtstrend des Euro beitragen könnten.
Technische Analyse Euro: Wochenchart EUR/USD
Quelle: TradingView, StoneX
Im Wochenchart zeigt sich, dass sich EUR/USD zu Beginn der zweiten Jahreshälfte fast genau in der Mitte seiner 2023er- und seiner 3-Jahres-Spanne befindet. Nach eineinhalb Jahren der Konsolidierung sind die Chancen auf einen stärkeren Trend und mehr Volatilität in der zweiten Jahreshälfte 2024 gestiegen. Da es jedoch keinen eindeutigen technischen Trend gibt und eine enorme Unsicherheit über den Zeitpunkt und die Anzahl der Zinssenkungen auf beiden Seiten des Atlantiks besteht, sollten die Leser vor einem allzu starken Engagement abwarten, bis die Kurse in die eine oder andere Richtung ausbrechen.
Der wichtigste Bereich, den es im Auge zu behalten gilt, wird der Bereich von 1,0500 bis 1,1250 aus dem Jahr 2023 sein. Ein bullischer Ausbruch über 1,1250 würde die Höchststände von Januar/Februar 2022 im Bereich von 1,1500 freisetzen, gefolgt vom 78,6 % Fibonacci-Retracement des gesamten Kursrückgangs von 2021/2022 um 1,1750. Ein Ausbruch nach unten unter die Unterstützung von 1,0500 könnte die Bären dazu veranlassen, die Retracements der Erholung von 2022/2023 bei 1,0200 (61,8 %) und 0,9900 (78,6 %) sowie die psychologisch wichtige Paritätsmarke von 1,00 ins Visier zu nehmen.
-- von Matt Weller, Global Head of Research
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